Juristen fordern Reform des Bundeswahlrechts

Versäumnis der Bundesregierung

Auf der Tagesordnung der Sitzung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (AsJ) stand die notwendige Reform des Bundeswahlrechts. Ein Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Papier war zu dem Schluss gekommen, dass das derzeitige Bundeswahlrecht nicht mehr anwendbar ist. Hierzu Rechtsanwalt Bernd Freer, Vorsitzender der AsJ Ruhr Mitte: "Wir könnten derzeit keine Wahlen für den Bundestag abhalten. Das ist eine dramatische und absolut untragbare Situation in einer Demokratie. Ich weiß nicht, ob das allen Verantwortlichen bewusst ist."

Auftrag des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im Juli 2008 in einem Urteil das Bundeswahlrecht als teilweise verfassungswidrig erklärt und dem Bundestag eine gesetzlich Neufassung bis spätestens Mitte 2011 aufgegeben:

http://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg08-068.html

Die Berliner Koalitionsregierung legte kurz vor Fristablauf zwar einen Gesetzentwurf vor. Dieser ist jedoch wiederum umstritten; Experten beurteilen die Neuregelung ebenfalls als nicht verfassungskonform, weil die monierten Fehler des Wahlrechts nur unvollständig behoben werden. Trotz Fristablauf gibt es also bisher kein neues Wahlrecht.

Worum es genau geht

Das bisherige Wahlrecht gibt dem Wähler eine „Erststimme“, mit der die Direktmandate vergeben werden, und eine „Zweitstimme“ für die Parteien, über die die Mehrheitsverhältnisse im Parlament bestimmt werden. Das führt regelmäßig zu unvereinbaren absurden Ergebnissen, weil mittels so genannter Überhangmandate mehr Kandidaten für eine Partei ins Parlament einziehen können, als dieser Partei nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Darüber hinaus tritt immer wieder die Situation ein, dass für eine Partei abgegebene Stimmen die Zahl der Sitze dieser Partei im Parlament verkleinert. Besonders dieses "negative Stimmengewicht" sahen die Verfassungsrichter als unvereinbar mit dem Grundgesetz an.

Stellungnahme der AsJ

Freer: "Die Bundesregierung hat offenbar ein Interesse, die Reform des Wahlrechts zu verschleppen. Und zwar unter Missachtung des höchsten deutschen Gerichts. Das ist schon für sich ein Skandal, der in einem Rechtsstaat nicht hingenommen werden kann. Vor allem aber brauchen wir für die nächste Wahl des Bundestages ein verfassungsgemäßes Wahlrecht, das möglichen Anfechtungen standhält."

Die AsJ Ruhr-Mitte fordert die Bundesregierung daher auf, umgehend die Auflage des Bundesverfassungsgerichts zu erfüllen und das Wahlrecht entsprechend den erfolgten Anweisungen zu ändern.

28.08.2011, Bernd Freer

..........

Anmerkung:
Die Bundesregierung hat inzwischen zwar das Bundeswahlgesetz geändert. Gegen diese Regelung ist inzwischen aber wiederum Verfassungsbeschwerde eingelegt worden.

21.02.2012 Jörg Bergmann

..........

Weitere Anmerkung: Auch die neue Regelung, die von der schwarz-gelben Koalition im Alleingang durchgeboxt wurde, ist heute - einstimmig - für verfassungswidrig erklärt worden: 25.07.2012 Jörg Bergmann

Suchen

News

17.04.2024 18:16 Rolf Mützenich zur China-Reise des Bundeskanzlers
China-Reise des Bundeskanzlers: Wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender: Erneut hat ein direktes Gespräch des Bundeskanzlers mit Präsident Xi wichtige Impulse für eine gemeinsame Diplomatie im Krieg in der Ukraine geben können. Nicht umsonst ist die Reise des Bundeskanzlers vom ukrainischen Präsidenten Selenskyj sehr positiv bewertet worden. „Erneut hat ein direktes Gespräch… Rolf Mützenich zur China-Reise des Bundeskanzlers weiterlesen

16.04.2024 15:10 Bernd Westphal im Podcast zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland
“Wir werden nicht das Streichkonzert im sozialen Bereich machen. Ganz im Gegenteil” In der aktuellen Folge des Podcasts „Lage der Fraktion“ ist Bernd Westphal zu Gast, der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Er erklärt, warum die wirtschaftliche Lage besser ist, als viele sagen; dass die Kritik der Wirtschaftsverbände an der Bundesregierung unangemessen ist, und, wieso die… Bernd Westphal im Podcast zur wirtschaftlichen Lage in Deutschland weiterlesen

15.04.2024 15:11 Statement der stellvertretenden Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen zur Einigung beim Klimaschutzgesetz
Einigung beim Klimaschutzgesetz und Solarpaket Die Regierungsfraktionen haben sich in den parlamentarischen Beratungen beim Klimaschutzgesetz und Solarpaket geeinigt. Matthias Miersch, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion: „Endlich der Durchbruch: Wir integrieren europäische Regelungen in das Klimaschutzgesetz und stellen damit mehr Verbindlichkeit her. Selbstverständlich gelten die CO2-Minderungsziele des gültigen Gesetzes gleichzeitig weiter. Durch die Novelle darf kein Gramm… Statement der stellvertretenden Vorsitzenden der Ampel-Fraktionen zur Einigung beim Klimaschutzgesetz weiterlesen

Ein Service von websozis.info

Counter

Besucher:171427
Heute:10
Online:2