Veranstalter zur Sicherungsverwahrung
Die Hamburger Juristin und Senatsbeamtin Anke Pörksen referierte im Bürgerbüro der SPD Gladbeck zum Thema Sicherungsverwahrung und Forensische Psychiatrie. Pörksen folgte als Bundesvorsitzende der AsJ einer Einladung des SPD-Stadtverbandes Gladbeck und der AsJ Ruhr Mitte. Zur Begrüßung sprachen der Landtagsabgeordnete Michael Hübner sowie Karin Schimmels und Roy Hardin vom AsJ Landesvorstand und RA Bernd Freer, Vorsitzender der AsJ Ruhr Mitte. Auch eine kleinere Zahl interessierter Bürgerinnen waren im Publikum, so dass dem Referat eine längere sachliche, nur teilweise kontroverse Frage- und Diskussionsrunde folgte - ein erfreulicher Aspekt angesichts mancher Aufgeregtheit in den Medien.
Die trockenen rechtlichen und kriminologischen Aspekte der Themen Sicherheit vor Kriminalität und Maßregelrecht verpackte Anke Pörksen in ihrem sehr lebensnahen und authentischen Vortrag in eine Abfolge von persönlichen Erfahrungen mit einem von ihr ehrenamtlich betreuten, entlassenen Sicherungsverwahrten.
Der aus Süddeutschland stammende Straftäter hatte vor zwei Jahren seine Freiheit zurück erlangt, nach fast 30 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Kurz darauf zog er nach Hamburg um, wo er seither unter permanenter Überwachung durch mehre Polizeibeamte steht. Anlassdelikt für die lange Inhaftierung waren zwei im Alter von 23 Jahren begangene Vergewaltigungen. Nachdem Pörksen als junge Referendarin den Mann vor vielen Jahren schon einmal betreut hatte, ergab sich jetzt, nach der Entlassung, eine erneute Kontaktaufnahme, gefolgt von einer immer noch andauernden Begleitung und Betreuung. Bereits im Jahr 1998 hätte eigentlich die Freilassung des Mannes erfolgen sollen. Eine Woche vor dessen Entlassung trat dann aber eine Neuregelung des Strafrechts in Kraft, was zur Fortsetzung der Unterbringung bis ins Jahr 2010 führte.
Das System der Sicherungsverwahrung erfüllt bis heute nicht die eigentlich verbrieften Ansprüche auf Therapie der Gefährlichkeit. Dennoch bestehen berechtigte Zweifel, ob schon damals überhaupt noch eine Gefährlichkeit des Straftäters gegeben war. Eindringlich konnte Pörksen die Absurdität des Lebens entlassener Sicherungsverwahrter schildern, die mit den Folgen ihrer Hospitalisierung durch langjährige Unterbringung allein gelassen werden, noch dazu verhindern Vorurteile, eine aggressive Boulevardpresse und nicht zuletzt auch die Anwesenheit der überwachenden Polizisten jeden Versuch der Reintegration. Im Regelfall ist den Entlassenen nicht einmal ein normales Wohnen oder eine Arbeitsaufnahme möglich. Deutlich gezeigt werden konnte, wie das Spannungsverhältnis zwischen berechtigten Ansprüchen auf Schutz der Bevölkerung vor Straftaten und dem Freiheitsrecht des Inhaftierten aus der Balance geraten ist.
Auch Kriminologen bemängeln, dass - bei sinkender Zahl von Gewalttaten - die Zahl der Sicherungsverwahrten stetig ansteigt, und zwar in den letzten 15 Jahren von 200 auf etwa 700 Verurteilte.
Sicherungsverwahrung ist eine Präventivmaßnahme zur Gefahrenabwehr, sie wird angeordnet bei Straftaten, in denen infolge einer durch sachverständige Psychiater attestierten Gefährlichkeit des Straftäters nach Strafverbüßung die Begehung weiterer schwerer Straftaten befürchtet wird. Bis zum Jahr 1998 konnte allerdings Sicherungsverwahrung nur in Verbindung mit dem Urteil und befristet auf maximal 10 Jahre ausgesprochen werden.
Zwar ist Sicherungsverwahrung im Strafgesetzbuch (siehe Infos unten) geregelt; sie wird jedoch als so genannte Maßregel und nicht als Strafe betrachtet. Ausgehend von einer umfänglichen Neufassung im Jahre 1998 verschärfte der Gesetzgeber das Recht der Sicherungsverwahrung in einer Serie weiterer Gesetzesnovellen, zuletzt im Jahr 2010; so kann seit 2004 Sicherungsverwahrung auch nachträglich angeordnet werden.
Im Jahre 2011 erklärte zunächst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die nachträgliche Sicherungsverwahrung als unvereinbar mit den Menschenrechten. Noch im selben Jahr folgte das Bundesverfassungsgericht dieser Rechtsauffassung in einem Urteil, in dem die Verfassungswidrigkeit der Sicherungsverwahrung festgestellt und dem Gesetzgeber eine Neuregelung bis spätestens 2013 aufgegeben wurde. Die Verfassungsrichter formulierten dabei zugleich die Prinzipien, die für ein verfassungskonformes zukünftiges Maßregelrecht zu beachten sind. Danach ist die Unterbringung qualitativ deutlich von einer Strafhaft abzuheben und im Vollzug ein Behandlungsangebot sicherzustellen, das eine Entlassung des Untergebrachten ermöglichen kann.
In einem zweiten Teil des Vortrags ging Pörksen auf die zweite Maßregel der Sicherung und Besserung, die Unterbringung in einer forensischen Klinik ein. Gegenüber der Sicherheitsverwahrung ist die Zahl der Untergebrachten hier zehnmal größer. Auch im Maßregelvollzug stieg die Zuweisung psychiatrisch unterzubringender Rechtsbrecher bis vor wenigen Jahren rapide auf ca. 6000 Patienten an. Zuständig für die forensische Psychiatrie ist in NRW das Gesundheitsministerium; für die Mehrzahl der forensischen Patienten sind die beiden Landschaftsverbände LVR und LWL mit dem Betrieb der Maßregelvollzugskliniken beauftragt. Aufwand und Kosten der Unterbringung stiegen mit Zunahme der Patientenzahlen enorm an. In NRW wurden in den vergangenen zehn Jahren fünf neue Maßregelvollzugskliniken gebaut, ohne dass sich die Unterbringungssituation entspannte; in Planung sind fünf weitere Klinikprojekte.
Als Folge von Straftaten, bei denen dem Täter Schuldminderung oder Schuldfreiheit infolge einer psychischer Erkrankung zuerkannt wird und deren Gefährlichkeit nach psychiatrischem Gutachten andauert, erfolgt eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Der Patient verbleibt zum Zwecke der "Sicherung und Besserung“ in der forensischen Klink, so lange seine Gefährlichkeit trotz psychiatrischer Behandlung noch fortbesteht.
Die so genannte „Psychiatrieenquete“, in den 70er Jahren installiert durch den Bundestag, stufte die Forensische Psychiatrie als Schlusslicht im ohnehin unterentwickelten Psychiatriesystem ein. Erst in der Folgezeit wurde Forensische Psychiatrie fachlich aufgewertet und entwickelt; die Wirksamkeit der Behandlungsmethoden und damit die Sicherheit vor Wiederholungstaten konnte erheblich gesteigert werden. Seit Ende der 90er Jahre wurde für die Phase der abgestuften Entlassung aus der Klinik ein System der Nachsorge aufgebaut; die Zahl der in der Öffentlichkeit gefürchteten Entweichungen von gefährlicher Patienten tendiert seither gegen Null.
Die anschließende Diskussionen ergab, dass bezüglich der Sicherungsverwahrung, die angeordnet wird, und deren Anwendung noch erheblicher Klärungsbedarf besteht. Auch anwesende Praktiker wussten über den schwierigen Umgang mit den zuvor geschilderten Situationen zu berichten und forderten eine baldige Änderung der Gesetzeslage.
Die AsJ sieht ihre Aufgabe darin, die Entwicklung weiter kritisch zu beobachten und zu gegebener Zeit Vorschläge für eine praktikable Lösung einzubringen, die den Interessen aller Betroffenen gerecht wird.
Manfred Schwirske, 27.06.2012
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