Grobe ärztliche Behandlungsfehler liegen dann vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstößt und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt des entsprechenden Fachs schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Dies hat das OLG Koblenz in seiner Entscheidung vom 28.06.1995 bejaht, als ein Arzt sich ohne vorherige Aufklärung der Patientin über Diagnosemethoden der Schulmedizin hinweggesetzt und eine nicht standardisierte Methode angewendet hat.
Der Patient hat das Recht, die vom Arzt vorgeschlagene und zur Behandlung angewendete Alternativmethode, abzulehnen.
In dem Urteil des OLG Koblenz vom 28.06.1995 (AZ: 7 U 520 / 94) nahm der behandelnde Arzt eine notwendige gynäkologische Untersuchung nicht vor. Er verneinte auf Nachfragen der Patientin bezüglich der notwendigen Vorsorgeuntersuchung, dass die von ihm angewendete Diagnosemethode die gleichen Zwecke wie die üblichen Vorsorgeuntersuchungen erfülle. Diese Diagnosemethode sei auch weitaus sicherer.
Trotz der Behandlung durch den Arzt trat jedoch keine Besserung auf. Nach erneuter Untersuchung mit der nicht standardisierten Methode verordnete er ihr verschiedene Injektionsbehandlungen sowie Aufbaupräparat.
Als die Patientin im Urlaub eine weitere Ärztin konsultierte riet diese ihr dringend, einen Frauenarzt aufzusuchen. In einer Klinik wurde dann festgestellt, dass sie unter Gebärmutterkrebs litt. Die mit einem Tumor befallene Gebärmutter und ein befallener Eierstock mussten entfernt werden.
Das allgemeine Einverständnis der Patientin mit der Verwendung einer nicht standardisierten Methode lässt die Aufklärungspflicht des Arztes nicht entfallen. Klärt der Arzt wie in diesem Fall nicht umfassend auf, verstößt er gegen seine Aufklärungspflicht.
Wendet der Arzt wie in diesem Fall eine Diagnosemethode an, die nicht dem Standard entspricht, ist dies als grober Behandlungsfehler zu werten (NJW 1996, 1601).
Der Arzt haftet für den Behandlungsfehler. Er haftet der Patientin auf ein Schmerzensgeld i.H.v. 17.895,22 €. Das OLG hat dabei vor allem berücksichtigt, dass sich die Klägerin einer weiteren Strahlentherapie unterziehen musste, diese wiederum mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden gewesen war und sie weiterhin aufgrund des Eingriffs unter seelischen Belastungen leidet und eine statistisch kürzere Lebenserwartung hat.
Daniel Ennever, 22.10.2012