Das Arbeitszeit-Urteil aus Luxemburg war längst überfällig

Veröffentlicht am 23.05.2019 in Europa

Ein Kommentar unseres Mitglied, Pascal Buddäus, zum Urteil des EuGHs zur Arbeitszeiterfassung.

Vorerst möchte ich auf 2015 verweisen. Die Einführung des Mindestlohns in Deutschland. Ein Aufschrei der Arbeitgeber ging durchs Land. Vier Jahre später wissen wir es besser. Der Mindestlohn wirkt, auch wenn man über die Höhe noch diskutieren muss.

Eine ähnliche Situation haben wir seit Anfang dieser Woche. Das EuGH fällt ein wichtiges Urteil und die Arbeitgeberverbände schreien auf. Warum denn eigentlich, frage ich mich? Hat man Angst vor einer gerechten Erfassung der Arbeitszeiten und den dazugehörigen Überstunden? Fürchtet man sich davor, die ArbeitnehmerInnen/ArbeiterInnen nach ihrer tatsächlichen Arbeitszeit zu entlohnen? Gerecht zu entlohnen?

 

In vielen Betrieben verschwinden Dutzende Überstunden pro Arbeitnehmer in der Versenkung, obwohl diese nach dem deutschen Arbeitszeitgesetz (§16 Abs. 2 ArbZG) schon immer aufgezeichnet werden müssen. Nur der Arbeitnehmer kennt in den meisten Fällen seine Stunden, der Arbeitgeber will diese vergessen. Das ist nicht gerecht.

Arbeitnehmer sind bereit, Überstunden zu machen. In einigen Branchen kommt man auch nicht drum herum, aber dann sollten diese auch ordentlich erfasst werden und entsprechend honoriert werden. Mit dem neuen Urteil müssen die Mitgliedstaaten der EU endlich Gesetze erlassen, die dafür sorgen, dass die Arbeitgeber die Arbeitszeiten nachvollziehbar aufzeichnen. Gewerkschaften sehen das zu Recht positiv. Wie soll man denn sonst Überstunden nachvollziehbar erklären, wenn die eigentliche regelmäßige Arbeitszeit nicht aufgezeichnet wird?

Die Staaten haben bei der Umsetzung des Urteils Freiraum, solange die Arbeitszeit ordentlich und nachvollziehbar erfasst wird. Dafür bedarf es keiner teuren Zeiterfassungssysteme. Man vergisst bei der Thematik, dass viele Branchen (Baugewerbe usw.) sowieso schon die Arbeitszeit erfassen müssen. Wenn es um die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns oder um geringfügig Beschäftigungen (450€-Jobs) geht, müssen die Arbeitszeiten sowieso schon aufgezeichnet werden. Jetzt sollen halt alle anderen Betriebe eingefangen werden.

Das neue Urteil schränkt sicher nicht unsere Freiheit ein, es hat auch nichts mit dem Kontrollwahn der Regierungen zu tun. Es dient dem Interesse des Arbeitnehmers und auch des Arbeitgebers, denn umgekehrt hat dieser somit auch einen Überblick über die monatlichen (Über-)Stunden. Spätestens wenn solche Fälle vor Gerichten landen, müssen beide Parteien beweisen, welche Stunden angefallen sind.

Mit der Erfassung der Arbeitszeit, kann sich der Arbeitgeber schützen, wenn sein (ehemaliger) Arbeitnehmer noch die Bezahlung von Überstunden einfordert. In vielen Betrieben scheint die Arbeitszeiterfassung schon heute zu funktionieren, aber leider nicht in allen. Darunter leiden dann meistens die ArbeitnehmerInnen und ArbeiterInnen, die Überstunden leisten, die aber schlussendlich nicht vergütet werden, mangels entsprechender Aufzeichnungen oder Desinteresse des Arbeitgebers. 

 
 

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